Die Gelenkmaus alias Osteochondrosis dissecans (OD) der Kinder und Jugendlichen

Carsten Dehler

Die Gelenkmaus alias Osteochondrosis dissecans (OD) der Kinder und Jugendlichen

 

Was sind die Ursachen dieser Erkrankung?

Die wahrscheinlichste Ursache scheinen mechanische Faktoren wie wiederholte Stoßbelastungen zu sein. Das wird auch der Grund sein, warum aktive bis hochaktive Kinder und Jugendliche überproportional häufig davon betroffen sind. Möglicherweise spielt bei der (typischen) Osteochondrosis dissecans (OD) auf der Innenseite des Kniegelenks eine Störung des Bewegungsablaufs beim Rennen eine entscheidende Rolle: Es kommt, wie Bewegungsanalysen zeigen, zu einer kurzfristigen Drehung im Knie mit folgendem Anschlagen der inneren Oberschenkelrolle an die Wange der Kreuzbandhöcker, typischerweise zu beobachten bei Kindern mit einem auffälligen einwärts gedrehten Laufmuster. Aber auch Sprunggelenk oder Ellenbogengelenk können durch wiederholte Überlastungssituationen von einer OD betroffen sein.

 

 

Wie entsteht die Gelenkmaus?

Die Erkrankung entsteht auf dem Boden einer knöchernen Durchblutungsstörung unterhalb des Knorpels. Am Anfang kommt es in diesem Bereich zu einem Absterben des Knochenareals, später zu einer bindegewebigen Abstoßung gegenüber dem gesunden umgebenden Knochen. Der dem Osteochondroseherd aufliegende Gelenkknorpel zeigt anfänglich keinerlei Veränderungen, er ist vital und mechanisch stabil, weil seine Ernährung durch die Gelenkflüssigkeit sichergestellt ist. Später kommt es aufgrund der instabiler werdenden knöchernen Unterlage zu sekundären Knorpelveränderungen. Diese Gelenkoberflächenveränderung kann durch Einklemmung nun erstmalig zu Einklemmungserscheinungen führen. Unter fortlaufender Beanspruchung kommt es dann zu einer Lockerung des abgestorbenen Knochens aus der gesunden Umgebung, zu einer Lösung des gesamten Knorpel-Knochenstücks und damit zur sog. Gelenkmaus. Diese kann dann lange im Mausbett verbleiben oder sich akut lösen, d. h. durch Gelenkbewegung in andere Teile der Gelenkhöhle verschoben werden. Es verbleibt dann ein bedeutsamer, der Mausgröße entsprechender Gelenkflächendefekt (Mausbett).

Welche Beschwerden treten bei der Gelenkmaus auf?

 

Die Beschwerden sind meistens belastungsabhängig, nicht selten werden sie als harmlose Unfallfolgen oder Wachstumsschmerzen fehlinterpretiert! Typischerweise muss der Sport aufgrund der Schmerzen bei schon längerem Verlauf eingestellt werden. Konsequente Sportpause oder Entlastung mindert die Beschwerden. Nach Ablösen einer Gelenkmaus kann diese einklemmen und es kommt zur Gelenksperre (Blockierung), dadurch zu plötzlich einsetzenden heftigen Schmerzen wie bei einem großen Meniskusriss. 

 

Mechanische Symptome (Blockaden, Streckhemmung) zusätzlich zu Schmerzen sind immer ein Warnsignal und ein Hinweis auf eine Gelenkflächenveränderung, eine Instabilität oder auf eine beginnende Abstoßung des Knorpel-Knochen-Fragmentes.

 

 

Diagnosestellung

Zur Diagnosefindung sind bildgebende Verfahren wie Röntgen und insbesondere in den frühen Stadien der Erkrankung kernspintomographische Aufnahmen (MRT) wichtig. Auf diesen Bildern lässt sich die Größe des Befundes, die Tiefenausdehnung und vor allem eine Beteiligung des darüberliegenden Knorpels genau ausmessen. Es sind auch Aussagen zur Stabilität des Befundes zu treffen. Daraus ergeben sich dann therapeutische Konsequenzen. Auch für die Verlaufsbeurteilung der Erkrankung eignet sich die MRT-Untersuchung hervorragend.

 

 

Die Therapie der Gelenkmaus – konservativ oder operativ?

Die Therapie der OD ist abhängig von der Größe der Veränderungen und von der Lokalisation in Bezug zum Gelenk. Ein weiteres wichtiges Entscheidungskriterium ist das Stadium (stabil / instabil) der Läsion. Ein wichtiges klinisches Instabilitätszeichen sind Blockierungen in der Gelenkfunktion, die als Zeichen der Beteiligung der Gelenkoberfläche an dem Erkrankungsprozess auftreten. Zusätzlich spielt das Alter des Patienten eine gewisse Rolle. Bei noch weit offenen Wachstumsfugen, also bei Jungen bis zum 14., bei Mädchen bis zum 13. Lebensjahr sind die spontanen Heilungsaussichten etwas besser. Im Durchschnitt heilen 50 % der OD-Fälle am Kniegelenk ohne operative Maßnahmen aus. Die Ausheilung dauert immer Monate bis Jahre, weil der Knochenumbau in der betroffenen Zone lange Zeit in Anspruch nimmt.

 

Zunächst sollte immer, außer bei abstoßungsgefährdeten Befunden oder stattgehabter Abstoßung, ein konservativer Versuch ohne Operation gemacht werden. Hierzu wird die mechanische Beanspruchung des betreffenden Gelenkes massiv reduziert durch ein konsequentes Sportverbot. Bei nachhaltigen Beschwerden kann auch eine Entlastung an Unterarmgehstützen bei Läsionen am Knie oder am Sprunggelenk bis zum Abklingen der Schmerzen notwendig werden. Eine vielversprechende konservative Therapieoption stellt die MBST-KernspinResonanzTherapie dar. Dabei wird das betroffene Gelenk einem elektromagnetischem Feld ausgesetzt, wodurch der Knochenstoffwechsel stimuliert wird. Die Durchblutungsstörung kann dadurch behoben werden und die Defektzone wird revitalisiert.

 

Bei anhaltenden Beschwerden, besonders aber bei Neuauftreten von mechanischen Symptomen wie Blockierungen oder Gelenkschnappen und bei Größenzunahme oder Abstoßungshinweisen im MRT ist eine Gelenkspiegelung (Arthroskopie) des betreffenden Gelenkes sinnvoll. Abhängig vom intraoperativen Befund gibt es dann verschiedene Behandlungsoptionen wie z.B. Anbohrung der Defektzone, um die Durchblutungssituation zu verbessern. Bei Knorpeldefekten, gelockerter oder gelöster Gelenkmaus ist entweder die Refixierung der Maus bei jugendlichen Patienten angezeigt oder bei zerstörtem, abgestorbenem Dissekat eine Knochenknorpeltransplantation die Therapie der Wahl. Der Vorteil der Knorpelknochentransplantation ist die Anwendbarkeit auch bei tiefen knöchernen Schäden, wie sie bei OD häufig zu finden sind. Ein weiteres Verfahren ist die autologe Chondrozytentransplantation (ACT), bei der körpereigene Knorpelzellen nach Anzüchtung und mechanischer Anfrischung der Defektzone auf diese replantiert werden.